Kohlraben / Kohlrüben
Kohl Brassica napus
Anbau:
Auf der Schwäbischen Alb wurden Kohlraben ab April im Garten vorgezogen. Anfang Juni wurden die Pflanzen vereinzelt und in Handarbeit in vorbereitete Reihen auf die Äcker gepflanzt – dann, wenn der Boden regenfeucht war. Später mussten Beikräuter entfernt, gehackt und auch nachgepflanzt werden. Besonders Maikäferengerlinge und Erdflöhe gefährdeten die Ernte. Um Saatgut zu gewinnen, wurden mit Blättern und Wurzeln ausgegrabene Rüben überwintert und im Frühjahr ausgepflanzt. Die dann bis zu 1,50 Meter hohe Pflanze blüht gelb.
Wuchs & Ernte:
Die Kohlraben werden im Durchmesser 25 bis 30 Zentimeter groß und wiegen bis zu vier Kilo; die Blätter sind bis zu 60 Zentimeter hoch. Die auf der Alb angebauten Sorten waren innen weißfleischig und außen glattschalig. Es gab Sorten mit grünlich-braunen sowie rötlich-violetten Oberseiten; die Unterseite ist hell. Kohlraben sind bis etwa minus sechs Grad frosthart und wurden erst Ende Oktober oder November geerntet; sie sind gut lagerbar.
Verwendung:
Die Kohlraben wurden auf der Alb als Winterviehfutter für die Kühe angebaut. Sie wurden in Rübenkellern eingelagert, bei Bedarf mit der Rübenmühle zu kleinen Schnitzeln gemahlen und unter das Heu und Stroh gemischt. In Norddeutschland stehen Kohlraben unter dem Namen Steckrüben traditionell auf dem menschlichen Speiseplan, meist sind das etwas mildere gelbfleischige Sorten. Auf der Alb wurden Kohlraben selten und wenn, dann eher in Notzeiten gegessen. Kohlraben schmecken deftig, erdig, manchmal mit einem etwas bitteren Nachgeschmack nach Kohl und roh ähnlich wie Kohlrabi. Sie werden geschält, roh in den Salat geraspelt oder gekocht in Eintöpfen und – pur oder mit Kartoffeln oder Möhren – zu Mus verarbeitet. Auch Bratlinge lassen sich aus ihnen zubereiten.
Geschichte:
Sie haben viele Namen: Steckrüben, Unterkohlrabi oder – auf der Schwäbischen Alb – Kohlraben und Kohlrüben. Hier wurden sie bis in die 1960er Jahre angebaut: „Der wo Rindvieh gehabt hat, hat Kohlraben gehabt, jeder“, erzählt Hermann Eberhardt aus Mehrstetten. Der Anbau war arbeitsintensiv. Dass in den 1960er Jahren monogermes Saatgut von Futterrüben auf den Markt kam, das direkt und maschinell in die Äcker ausgesät werden konnte, bedeutete rasch das Ende des regionalen Kohlraben-Anbaus. Hans Reutter (1934-2013) aus Mehrstetten war einer der wenigen Landwirte, der hier Kohlraben weiterkultivierte. 2011, zwei Jahre vor seinem Tod, bat er seinen Nachbarn Hermann Eberhardt, sich darum zu kümmern, dass die Kohlraben erhalten bleiben. Hermann Eberhardt wandte sich an die Uni Hohenheim, hier erhielt Professorin Dr. Sabine Gruber (1962-2021), Mitgründerin des Genbänkles und Vorstandsmitglied, das Saatgut aus Mehrstetten. Hermann Eberhardt schreibt in seinem Begleitbrief: „Die Kohlrüben eignen sich auch für den Menschen. Mein Großvater hat erzählt, das Jahr 1916 war sehr nass. Die Kartoffeln als damals wichtigstes Nahrungsmittel bekamen Krautfäule. In diesem Hungerjahr mußten die Kohlrüben abgeliefert werden, Eisenbahnzüge voll wurden in die Städte gefahren, um die Bevölkerung vor dem Verhungern zu bewahren. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Not Kohlrüben gegessen. Und heute werden Kohlrüben in der gehobenen Gastronomie als Delikatesse angeboten. Wie sich die Zeiten doch ändern?"

